Sie stehen als Arzt oder Ärztin kurz vor einer Praxisübernahme in der Schweiz? Dann hilft Ihnen dieser Artikel, den Prozess so flüssig wie möglich zu gestalten. Neben der Neugründung bietet die Praxisübernahme eine einfache Möglichkeit, sich als Arzt oder Ärztin niederzulassen. Nicht nur, dass Sie die Praxisräumlichkeiten und Geräte übernehmen können, Sie starten auch direkt mit einem aufgebauten Patientenstamm. Weiterhin fällt es Ihnen leichter, den zu erwartenden Umsatz auf Basis der vergangenen Daten abzuschätzen. Das Risiko der Existenzgründung ist durch eine Praxisübernahme also reduziert. Aber auch bei der Übernahme einer Arztpraxis gibt es einiges zu beachten, wie wir Ihnen im Folgenden darstellen.
Inhaltsverzeichnis:
- Schritte der Praxisübernahme
- Bewilligung der ärztlichen Tätigkeit
- Praxis für eine Übernahme suchen
- Beurteilung der Praxen
- Finanzierung der Praxisübernahme
- Wahl der Rechtsform
- Überprüfung von bestehenden Verträgen
- Abschluss von Versicherungen
- Identifikation nötiger Modernisierungen
- Übergabe der Räumlichkeiten
- Strategie für Übernahme der Patienten
- Bekanntmachung der Praxisübernahme
- Checkliste zur Praxisübernahme
Schritte der Praxisübernahme
Bewilligung der ärztlichen Tätigkeit
Bevor Sie in der Schweiz selbstständig ärztlich tätig sein können, benötigen Sie eine Bewilligung der kantonalen Gesundheitsdirektion. Je nach Kanton sind die Voraussetzungen hierfür unterschiedlich und für manche Fachrichtungen und Regionen können Zulassungsstopps oder -einschränkungen bestehen. Am besten informieren Sie sich auf der Website Ihres Kantons.
Weiterhin müssen Sie eine selbstständige Tätigkeit im Haupterwerb bei der kantonalen Ausgleichskasse anmelden. Je nach Kanton ist es ausserdem möglich, dass Sie einen Antrag auf Mitgliedschaft bei der kantonalen Ärztegesellschaft stellen müssen.
Damit Sie Leistungen über die obligatorische Krankenversicherung abrechnen können, müssen Sie eine persönliche ZSR-Abrechnungsnummer im Zahlstellenregister beantragen. Die ZSR-Nummer ist individuell und kann daher nicht von Vorgänger:innen übernommen werden. Mehr Informationen finden Sie hier: https://www.sasis.ch/de/1008
Achtung: Seit dem 01.01.2022 gelten in der Schweiz neue Bestimmungen für die Zulassung von ambulanten Leistungserbringer:innen. Es entstehen dadurch erhöhte Anforderungen an Ärzt:innen, die zulasten der obligatorischen Krankenversicherung (OKP) tätig werden wollen.
Hier ein kurzer Überblick, welche Neuerungen mit dem Gesetz einhergehen:
- Ärzt:innen müssen im beantragten Fachgebiet an einer anerkannten Weiterbildungsstätte der Schweiz mindestens drei Jahre gearbeitet haben
- Ärzt:innen müssen genügende Sprachkenntnisse nachweisen (C1 gemäss dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen)
- Ärzt:innen aus dem Ausland ist es nicht mehr möglich, direkt zulasten der OKP tätig zu werden (weder in eigener Praxis, noch als angestellte:r Ärzt:in)
- Selbst wenn Ärzt:innen jahrelang in der Schweiz praktiziert haben, ihr Arbeitgeber jedoch nicht als Weiterbildungsstätte anerkannt ist, so reicht diese Erfahrung nicht aus
- Steht ein Wechsel des Kantons an, muss erneut eine Zulassung eingeholt werden
Die jeweiligen Zulassungsvoraussetzungen sind in einem aufwändigen Verfahren autonom zu prüfen.
Praxis für eine Übernahme suchen
Sollten Sie noch keine Praxis im Auge haben, ist es an der Zeit eine geeignete Praxis zu finden. Hierfür gibt es zum Beispiel Online-Praxisbörsen wie https://www.fmhjob.ch/suche-praxis,
https://www.jhas.ch/de/jobboerse (Allgemein- und Kinderärzte),
https://www.kaladent.ch/deutsch/services/praxisboerse.html (Dental), oder
https://www.praxsuisse.ch/de/praxis-suche.
Sie können aber auch Anzeigen in Zeitschriften nach passenden Angeboten durchgehen, oder an Veranstaltungen vor Ort teilnehmen.
Beurteilung von Praxen
Infrage kommende Praxen sollten Sie auf die folgenden Kriterien prüfen:
- Attraktiver, gut erreichbarer Standort mit Parkplätzen
- Passende Fachrichtung
- Aktueller Umsatz und zu deckende Kosten
- Bisheriger Patientenstamm und Zufluss neuer Patienten (Anzahl und Zusammensetzung)
- Vorhandenes Zuweisernetzwerk
- Konkurrenzsituation im unmittelbaren Umfeld (derzeitiger Stand und mittelfristige Planung)
- Übernahme des Praxisteams möglich
- Gesundheitspolitische Entwicklungen in der Schweiz
Finanzierung der Praxisübernahme
Bevor Sie eine Praxis übernehmen, müssen Sie sorgfältig prüfen, ob Sie eine Selbstständigkeit finanziell schultern können. Listen Sie genaustens auf, welche finanziellen Mittel Ihnen zur Verfügung stehen, wie hoch der Finanzierungsbedarf ist und wie ein Kredit abbezahlt werden kann. Am besten halten Sie dies in einem Businessplan fest.
Die Kosten einer Praxisübernahme lassen sich übrigens nur sehr schwer pauschal abschätzen. Sie hängen von der Fachrichtung, den benötigten Geräten, dem Standort und der Grösse sowie auch von den nötigen Renovierungsarbeiten ab. Auf einen Allgemeinmediziner kommen andere Kosten zu, als z.B. auf eine Gynäkologin.
Ein wichtiger finanzieller Baustein ist der Kaufpreis für die Praxis. Dieser wird per Praxisschätzung von spezialisierten Anbietern ermittelt, die Sie beauftragen können. Da die Schätzung aber normalerweise auf Vergangenheitsdaten basiert, sollten Sie unbedingt auch Überlegungen zur Zukunft mit einbeziehen.
Ist der Kaufpreis festgelegt, gilt es sich um den Vertrag zu kümmern. Dieser sollte auf jeden Fall Angaben zum Patientenstamm, zur Teamstruktur, zum Inventar und zum Behandlungsangebot von Käufer und Verkäufer enthalten. Weiterhin sollte geregelt sein, wie die rechtskonforme Übertragung der Patientendossiers erfolgt. Selbstverständlich darf auch eine Zahlungsfrist nicht fehlen. Es ist anzuraten, den Kaufvertrag unbedingt zusammen mit einem Fachanwalt zu erstellen und möglichst präzise Angaben zu machen, um spätere Differenzen zu vermeiden.
Wahl der Rechtsform
Eine weitere wichtige Entscheidung ist, in welcher Rechtsform Sie die Praxis nach Übernahme betreiben möchten (z.B. als AG oder als Einzelpraxis). In einer Einzelfirma haften Sie als Arzt oder Ärztin privat. Bei einer Aktiengesellschaft beschränkt sich die Haftung auf das eingelegte Aktienkapital. Es ist Ärzt:innen seit 2002 erlaubt eine AG zu gründen und sich bei dieser selbst anzustellen. Lassen Sie sich hierzu unbedingt von einer Fachperson beraten.
Überprüfung von bestehenden Verträgen
Sie sind aktuell in einer Anstellung beschäftigt? Dann sollten Sie als erstes Ihren eigenen Arbeitsvertrag auf die Kündigungsfrist prüfen. Ebenfalls können Konkurrenz- oder Abwerbungsverbote im Vertrag enthalten sein, die Sie natürlich berücksichtigen müssen.
In der Praxis, die Sie übernehmen möchten, sollten Sie die Arbeitsverträge des Personals auf Lohnstruktur und Sozialleistungen prüfen. Im Mietvertrag für die Praxisräumlichkeiten sollten Sie vor allem die Dauer des Mietverhältnisses und die Kündigungsfristen durchgehen. Prüfen Sie den Vertrag auch auf eine Rückbauklausel.
Auch, wenn dies die wichtigsten Verträge sind, sollten Sie sich eine genaue Liste mit allen sonstigen bestehenden Verträgen anfertigen lassen. Damit können Sie diese fristgerecht und rechtzeitig entweder kündigen oder übernehmen. Eine Praxisübernahme ist häufig ein guter Zeitpunkt, um die bestehenden Verträge kritisch zu hinterfragen.
Abschluss von Versicherungen
Bevor Sie Ihre Tätigkeit beginnen, müssen Sie sich mit dem Thema Versicherungen beschäftigen. Häufig können Sie Verträge vom Vorgänger oder der Vorgängerin übernehmen. Allerdings sollten Sie auch hier überprüfen, ob das in Ihrem Fall die günstigste Option ist. Sie sollten sich u.a. mit den folgenden Versicherungen für Ihre Praxis beschäftigen:
- Versicherung der Einrichtung gegen Feuer, Explosion, Einbruch, Wasserschäden und Glasbruch
- Unfallversicherung
- Alters- und Hinterlassenenversicherung
- Krankentagegeld
- Personalvorsorge
Identifikation nötiger Modernisierungen
Sicher profitieren Sie bei einer Praxisübernahme von bestehenden Räumlichkeiten, Geräten, Mobiliar und eingerichteter Software. Dennoch sollten Sie diese Elemente im Zuge der Übernahme auf Ihre Modernität prüfen und falls nötig ersetzen. Gerade im Softwarebereich gehen Weiterentwicklungen rasant voran – es ist wahrscheinlich, dass die Praxis in diesem Bereich nicht mehr up to date ist. Anhand welcher Kriterien Sie feststellen können, ob es Zeit für eine neue Praxissoftware ist, lesen Sie in unserem Artikel Praxissoftware wechseln.
Übergabe der Räumlichkeiten
Genau wie bei Privatmieten auch, gehört zur Übergabe der Praxisräume die Anfertigung eines Übergabeprotokolls. Neben Informationen zum Zustand der Räumlichkeiten, sollten auch alle medizinischen Geräte aufgelistet und auf ihre Funktionsfähigkeit überprüft werden. Eventuelle Schäden sollten Sie notieren.
Strategie für Übernahme der Patienten
Auch wenn es einfacher ist, bestehende Patienten zu übernehmen, als sich von Grund auf einen eigenen Patientenstamm aufzubauen, ist auch hier Vorsicht geboten. Sie sollten sich genau überlegen, wie Sie den Übergang für die Patienten reibungslos gestalten können. Vergessen Sie nicht: Sie müssen ihr Vertrauen als Arzt oder Ärztin neu gewinnen. Ein wichtiger Baustein hierfür ist, die Patienten proaktiv zu informieren.
Neben der reinen Information empfiehlt es sich, eine ausdrückliche Einverständniserklärung für die Weitergabe der Patientendaten einzuholen. Eine Weitergabe der Dossiers ohne Zustimmung der Patienten könnte rechtliche Konsequenzen haben, da das Arztgeheimnis auch gegenüber anderen Gesundheitsfachpersonen gilt.
Bekanntmachung der Praxisübernahme: Patienteninformation
Sprechen Sie am besten mit Ihrem Vorgänger oder Ihrer Vorgängerin ab, wie Sie frühzeitig gemeinsam Patienten und Partner über die Praxisübernahme informieren können. Häufig wird die Praxis in einem Übergangszeitraum gemeinsam geführt – so lernen Sie nicht nur die Patienten persönlich kennen, sondern profitieren zusätzlich von der jahrelangen Erfahrung eines Mediziners oder einer Medizinerin.
Über die folgenden Kanäle wird eine Praxisübernahme üblicherweise publik gemacht:
- Ansprache der Patienten durch den abgebenden Arzt / abgebende Ärztin (persönlich, per Anruf oder per Anschreiben)
- Änderung der Aussenbeschilderung
- Update von Website
- Update von Branchendiensteinträge und Google-Profil
- Änderung in Social-Media-Profilen
- Information von Netzwerkpartnern
- Praxis-Apéro
Checkliste zur Praxisübernahme
Laden Sie sich hier alle Schritte als praktische PDF-Checkliste herunter:
Disclaimer: Die Inhalte dieses Artikels gelten als Anhaltspunkt und haben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Bitte informieren Sie sich immer auch über aktuelle Regelungen bei den zuständigen Stellen.